Die Meinungen zum Thema Styling gehen weit auseinander, von "sehr wichtig" bis "uninteressant", habe ich dazu schon viel gehört. Und nicht jeder Tänzer hat zu diesem Thema überhaupt eine Meinung, was auch etwas über den Stellenwert aussagt.
Trotzdem bewundern wir alle gute Tänzer wegen ihrer sauberen Technik, Geschwindigkeit, Feelings und nicht zuletzt wegen ihres eleganten und eigenen Stils. Mit dem ganzen Körper tanzen, darum geht es in diesem Artikel: Styling nicht als zusätzlichen Aspekt verstehen, sondern als Teil der Körperbewegung.
Wenn ich mir Tanzvideos von Bersy Cortez, Pura Pasion, Adolfo Indacochea, Adrian & Anita, Daniel & Desirée, Sabor Boricua, Mambo Iré, Videos von Carlos Camacho und Natalia Rodriguez oder auch der Tanzformation Rúmbame Dans, Feeling Mambo, Feeling Son usw. anschaue, sehe ich sehr viel elegantes Styling beim Tanzen. Allen voran, ist für mich Bersy Cortez seit Jahren diejenige, die am elegantesten stylt und mit dem ganzen Körper dermaßen in einer Einheit tanzt, dass man einfach stundenlang zuschauen möchte. Bei anderen Tänzern, wirkt es hingegen manchmal aufgesetzt oder nicht so stimmig. Also vergebt mir, wenn dieser Artikel etwas "bersylastig" ist. Sie ist seit vielen Jahren meine Lehrerin und wer sie kennt weiß, dass sie das was sie tut mit 110% Einsatz macht!
Was ist Styling?
Styling ist zuerst einmal die elegante Einheit des Tanzes des ganzen Körpers. Es gilt vor allem Frauen. Reines Männerstyling ist seltener so sehr auf Eleganz bedacht. Bersy Cortez meint sogar, dass es Männerstyling im Grunde nicht gibt, was ein etwas krasser Standpunkt ist, zumal auch Männer elegante Bewegungen, beispielsweise aus der Rumba sowie Schrittkombinationen im Salsa einbinden können und dazu ihren Oberkörper passend zur Musik einsetzen. Jede Tänzerin und jeder Tänzer kann so seinem Tanz eine sehr individuelle Note geben und zusätzlich noch sehr elegant wirken.
Betrachtet man Styling im Detail, gehören vor allem die Hinzunahme von stimmigen Armbewegungen sowie der elegante Einsatz der Schritte dazu sowie das Hinzufügen von Schrittkombinationen (pasos libres). Styling ist nicht einfach zu erlernen, es dauert oft Jahre, bis man wirklich sehr gut darin ist und eventuell dann einen eigenen Stil entwickelt. Es dauert deswegen sehr lang, weil einfach sehr viele Bewegungen ineinander fließen, die auch stimmig sein müssen.
Die erste Regel dazu lautet, dass Styling den natürlichen Bewegungsablauf ergänzt und z.B. auch den Schwung am Ende einer Bewegung kompensiert.
Sehr schön sieht man das im unten verlinkten ersten Video, wo Natalia Rodriguez die Armbewegungen nutzt, um die schwunghafte Drehung der Enchufla zu kompensieren. Das sieht nicht nur sehr gut aus, Natalia nutzt den Schwung der Enchufla geschickt und bereitet so auch schon die nächste Drehung vor.
Gleiches gilt für Ein- und Mehrfachdrehungen. Die Hände und vor allem die Arme dürfen die Bewegung selbst nicht stören oder bremsen, auch darf der/die sich Drehende nicht dadurch ins Ungleichgewicht kommen. Am Ende der Drehung muss aber elegant gestoppt werden, was mit geschicktem Styling nach einigem Üben leichter fällt.
Es gilt: Arme eng anliegend am Körper sorgen für eine schnelle Drehung, das Entfernen der Arme von der Körperachse verlangsamt die Rotationsbewegung. Stoppt nun der Körper komplett, würden die Arme durch die Trägheit der Masse frei schwingen. Genau diesen Schwung kann man elegant in Styling "übersetzten".
Wenn man an diesem Punkt bereits ist, das man nun diese einfacheren Dinge beherrscht, kann man darüber nachdenken, Variationen zu finden. Statt die Hände entlang des Körpers zu führen, kann man sie als Frau mal durch die Haare führen oder die Drehung durch eine elegante zusätzliche Kopfbewegung variieren.
Bei Bersy Cortez sieht man, wie die Hände und Arme die Bewegung und Drehungen zuerst einmal unterstützen und dann (als zweites) erst als Stylingelement erkennbar sind. Ihre Besonderheit ist, dass die Bewegungen (physikalisch) sehr durchdacht und dermaßen im Fluss sind, dass man beim Zuschauen denkt, dass es im Grunde gar keine andere Möglichkeit zur Armbewegung möglich wäre. So etwas bewirkt natürlich auch jahrzehntelanges Training! Meiner Meinung nach hat sie all dies für ihren so genannten "Bersystyle" wirklich lang durchdacht und wie niemand sonst analysiert.
Elegante Handhaltung mit gespreizten Fingern!
Die korrekte Fingerhaltung wird am Ende des Artikels erklärt.
Was ist Styling nicht?
Auf Kongressen erlebe ich hin- und wieder dass es Stylingklassen gibt, in denen vor allem Schrittkombinationen unterrichtet werden. Das reicht mir als Stylingelement nicht aus! Noch schlimmer finde ich "unlogisches" Styling, welches den Bewegungsfluss stört oder einfach nur falsch aussieht. Übertrieben gesagt: Einfach mit den Armen wedeln ist noch kein Styling.
Manchmal finde ich auch die Einstellung: „Ich mache mein eigenes Ding, Styling ist ja Schicki-Micky. Das mache ich nicht" (oder "ich mache mein eigenes"). Dabei kommen dann seltsame Stilblüten heraus: "Ich tanze, wie ich will", LA-Style mit Bogen, Linien Salsa im Kreis usw.
Einigen Frauen ist Styling auch zu peinlich! Sie haben Angst dadurch aufzufallen, zu sehr im Mittelpunkt zu stehen usw. Ich denke, wenn man noch an dem Punkt ist, wo man für die anderen auf der Tanzfläche tanzt, ohne selbst es zu genießen und nur unauffällig bleiben will, wird man nicht vorwärts kommen.
(Unfreiwillig) "komisches" Styling
Ein Beispiel erklärt vielleicht was ich damit meine: In einer großen süddeutschen Stadt wird die Tanzszene von ca. acht Leuten geleitet, was schon recht viel ist, aber ich rede hier auch über eine Stadt mit mehr als 300.000 Einwohnern! Und nach und nach hat auch dort die Qualität zugelegt, und vor allem die Tanzlehrer können echt gut, sicher und elegant tanzen. Aber es ist eben eine Handvoll, meist die Tanzlehrer, die schon >10 Jahre dabei sind. Die große Masse ist bei weitem nicht so gut und erfahren. Und bei vielen sehe ich, und damit stehe ich nicht ganz allein, Bewegungen und Figuren, die zum Teil uralt sind und die man international nicht mehr sieht. Dazu kommt das Fehlen von Sinnlichkeit. Die Armbewegungen der Frauen und Männer wirken wie in vielen anderen Szenen auch gelegentlich alibimäßig und manchmal sogar gegen den Schwung des Körpers, den die Bewegungen ja eigentlich kompensieren sollen! Mit der sinnlichen Spannung zwischen Mann und Frau kaum vereinbar, sondern eher kauzig, eigensinnig oder zu brav und zu schüchtern.
Wie kann man es besser machen? Hier ein paar Anregungen:
Beispiele für Women-Styling:
1. Grundlagen des Styling
Carlos Camacho und Natalia Rodriguez - Styling Anfängerklasse Fulda Salsaevent
In diesem Kurs, zu Beginn des Salsaevents Fulda hatten Carlos und Natalia eine sehr einfache Figur gewählt, bei der die Frau sehr schön die elegante Schwungkompensation lernen kann:
0:01 - Begleitung des Grundschritts durch passende Armbewegungen
0:18 - der rechte Arm vor der Brust gibt Stabilität bei Mehrfachdrehungen (hier noch unnötig, das sie langsam dreht, aber genau so kann es aussehen)
0:21 - linker Arm zum Cross auf der 1 nach außen.
0:23 - Eine leckere Besonderheit zum Stylen ist der Cross, bei dem sie das Becken 90° zur Linie dreht und somit für einen winzigen Moment (auf der 3!) dem Mann frontal gegenübersteht und dabei noch die rechte Hüfte nach oben kippt. Wow!
0:27 - offener Cross mit guter Handhaltung (siehe Abschnitt: "Handhaltung" weiter unten)
0:32 - Cross mit Drehung: um elegant zu drehen, kommt die freie Hand vor den Bauch nah zur Körperachse, welche sich am Ende der Drehung löst, um dann nach außen den Schwung zu kompensieren.
Jetzt kommt mein Lieblingsabschnitt: die Enchuflas werden beim Reindrehen ganz keck mit der freien Hand an der Hüfte verschönt, am Ende aber mit viel Schwung ausgeführt. Natalia kompensiert dies durch eine lange Armbewegung, wodurch der Schwung sehr elegant in die Körperachse fließt. Beim zweiten Durchgang weiß sie ja schon, dass ein Cross kommt und macht (bei 0:35) den linken Arm zum Cross raus.
Wem das zu schnell ging, der kann es hier mit dem langsamen Video ohne Musik üben: Carlos Camacho und Natalia Rodriguez - Styling Anfängerklasse Fulda Salsaevent (ohne Musik)
2. Standards und Advanced Styling
Bersy und Noelia: 2014 Malaga - Summeruniversity:
In diesem Video zeigt Bersy ein paar grundlegende Elemente:
0:14 - durch die Haare greifen
0:15 - rhythmische Oberkörperbewegungen zur Musik
0:18 - den linken Arm beim Cross gestreckt rausnehmen
0:21 - Handhaltung beim offenen Cross (hier mit Gewichtsverlagerung)
0:22 - Kompensation des Schwungs durch die Drehung beim Cross mit der linken Hand
0:26 - gestreckter rechter Arm (da es der freie Arm ist) bei 1-3 im Start des Cross-Body Lead
0:28 - Öffnung der Arme und sofortiges Schließen über dem Kopf
0:30 - Eine Hand unten und eine oben bei der Drehung, anschließendes über den Körper gleiten usw...
Das geht das ganze Video so weiter und man sieht sehr viele grundsätzliche Elemente.
Wem das alles zu schnell geht, der kann hier die langsame Version ohne Musik zum Üben verwenden: Bersy und Noelia: 2014 Malaga - Summeruniversity - ohne Musik, langsam!
3. Grundschritt und Variationen (mit Händen!)
Wer einmal bei Bersy auf einem Kongress eine Styling "Anfängerklasse" mitgemacht hat, weiß, dass es ein Erlebnis ist. In ca. 30min lernen die Teilnehmer den Salsagrundschritt neu. Dieses Mal mit komplettem Styling der Hände.
Bersy Cortez - Salsa basic stepp for Ladies & Ladiestyling (langsam und ohne Musik)
Folgende Schwerpunkte kann man in den Videos gut erkennen:
- Die Hüfte wird passend zum Schritt eingesetzt, dabei geht die Bewegung von den Knien aus.
- Bewegen sich die Arme nach oben, zeigt der Handrücken nach oben (Finger gespreizt), gehen die Arme runter zeigen (oft) eher die Handflächen nach außen. Auf die Fingerhaltung muss geachtet werden! Vor allem im langsamen Video sieht man dies gut erklärt!
- Der Grundschritt "fließt" zusammen sehr gut mit den Armen. Es ist eine Einheit. Das ist sicherlich am schwersten zu üben!
Nach 30min lernen die Schüler dann, den Grundschritt in einer einfachen Choreo einzusetzen. Das folgende Video verdeutlicht es sehr schön, man muss aber genau hinsehen, es geht sehr schnell: Bersy Cortez - Salsa basic stepp for Ladies & Ladiestyling (schneller und mit Musik)
Hand- und Fingerhaltung beim Women-Styling
Bersy erklärt die richtige Haltung der Finger gerne scherzhaft, aber so merkt man es sich wirklich, wie die Finger der Hand gespreizt sein sollten. Dieses Element ist in vielen Tänzen zu finden, auch im Flamenco, Tango usw. Dabei zeigen Daumen und Mittelfinger nach innen in die Hand, die anderen Finger nach außen, also ungefähr so, als wenn man die Finger auf die Stirn legt, um nachzudenken... :-)
So sollte man die Fingerhaltung üben :-)
Ein "Bersy"-Klassiker in jeder Stylingstunde.
Beispiele für Styling bei Männern:
Männerstyling zeichnet sich ebenso durch die Einheit von Schritten, Bewegungen und Armen aus. Dabei sind aber insgesamt weniger Armbewegungen und deutlich maskulinere Bewegungen angesagt. Auch hier kann die individuelle Qualität des Stylings einen Tanz sehr bereichern. Es geht darum durch den Körper zu beeindrucken. Dazu gehört auch besonders der Einsatz von Schultern, der Brust und generell von Oberkörperbewegungen.
Carlos Camacho zeigt hier ein paar schöne Bewegungen für maskulines Tanzen:
Carlos Camacho & Natalia Rodriguez -Salsaton-Workshop - Fulda Salsaevent (mit Musik)
Hier das ganze in langsam zum üben: Carlos Camacho & Natalia Rodriguez -Salsaton-Workshop - Fulda Salsaevent (ohen Musik)
So, ich hoffe, ihr habt ein paar Anregungen bekommen und auch Lust zum Üben. Viel Spaß!